Warum Kriminelle gerne in das Straßenbahndepot Schöneberg einsteigen


Die Zeiten der Straßenbahn in West-Berlin sind lang vorbei. Von dieser Epoche zeugen Überbleibsel wie das alte Straßendepot in Berlin-Schöneberg. Zuletzt machte es Schlagzeilen, weil sich vermutlich arabische Clan-Mitglieder Zutritt verschafften.

Von außen betrachtet wirkt das Areal wenig einladend. Ein Gittertor versperrt den Zugang. An der Zaunkrone hängt Stacheldraht. Ein Schild weist darauf hin, dass dieses Areal von der Berliner Polizei genutzt wird. Betreten verboten. Kameraüberwachung. Im Innenhof stehen zahlreiche Autos. Allerdings fallen die Schienen auf, die in den Boden eingelassen sind. Das Hallengebäude dahinter weist ein Tor neben dem nächsten auf. Das Profil erinnert an einen U-Bahn-Tunnel.

Die Abmessungen sind kein Zufall. Das Areal in Berlin-Schöneberg diente einst als Betriebshof der Berliner Straßenbahn. In der dreiteiligen Halle konnten auf 24 Gleisen bis zu 280 Wagen abgestellt werden. Werkstätten gab es im hinteren Teil, die Verwaltung befand sich in einem Haus am Arealeingang.

Der Bahnhof X

Das 15.779 Quadratmeter große Depot wurde 1899 von der „Großen Berliner Straßenbahn“ (GBS) in Betrieb genommen. Die GBS war das damals dominierende Verkehrsunternehmen Berlins, das aus der „Großen Berliner Pferde-Eisenbahn“ hervorgegangen war und aus der später die „Berliner Straßenbahn“ entstand. Das Depot an der Belziger Straße war – wie sieben weitere Anlagen – nötig geworden, da die GBS ihre Strecken elektrifizierte.

Der neue Sammelpunkt, der von der BGS erst als Bahnhof X und später als „Schön“ bezeichnet wurde, ersetzte ein Depot in der Hauptstraße. Er war die Heimat von mehreren Straßenbahnlinien, darunter die 7 (Grunewaldring), 88 (Steglitz-Stadtpark nach Bahnhof Schönholz) und 95 (Bahnhof Köpenick nach Schöneberg, Belziger Straße).

Vom Straßenbahndepot in Berlin-Schöneberg rückten im Jahr 1914 die Trams aus und ein.
Foto: Elektrische Kraftbetriebe und Bahnen (1914)/Public Domain, Wikipedia

Während der deutsch-deutschen Teilung veränderte sich in den 1950er Jahren die Verkehrspolitik in West-Berlin. Neue U-Bahn-Linien und Busse ersetzten mehr und mehr die Straßenbahnen. Trams galten damals als veraltet. Mit dem politischen Mentalitätswandel verringerte sich die Relevanz des Schöneberger Straßenbahndepots.

Zuletzt war noch die Linie 55 (Nollendorfplatz nach Hakenfelde) mit 41 Trieb- und 12 Beiwagen an der Belziger Straße stationiert. Als auch diese Linie verkürzt wurde, stellten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) den Depot-Betrieb im Jahr 1964 ein. Drei Jahre später verkehrte zum letzten Mal eine Straßenbahn in West-Berlin.

„Big Maple Leaf“-Raub

Gegenwärtig nutzt die Berliner Polizei das Depot, um abgeschleppte oder sichergestellte Fahrzeuge abzustellen. Darunter sind Autos, an denen Spuren gesichert werden müssen. In diesem Zusammenhang sorgte das alte Straßenbahndepot für Schlagzeilen. Unbekannte drangen nachts immer wieder in das offensichtlich schlecht gesicherte Areal ein.

In einem Fall wurde 2017 versucht, bei einem Auto, das im Zusammenhang mit dem Diebstahl der Goldmünze „Big Maple Leaf“ aus dem Bodemuseum sichergestellt wurde, Spuren zu zerstören. Die Täter, vermutlich aus dem Clan-Umfeld, sprühten in einen abgestellten Audi A6 Schaum aus einem Feuerlöscher. Die Aktion schlug fehl.  

Im Jahr 2013 beschloss die Berliner Bezirksverordnetenversammlung, das denkmalgeschützte Depot zu verkaufen, wobei ein sozialer oder kultureller Zweck bei der zukünftigen Nutzung vorhanden sein muss. In der Zukunft wird dem alten Depot also hoffentlich neues Leben eingehaucht.

Nachtrag: Die Berliner Morgenpost meldet am 21.8.2020, dass das Sicherstellungsgelände der Polizei – also das alte Straßenbahndepot – aufgrund von Sicherheitsmängeln geschlossen werden soll.


Bewertung

Erlebnis: ★★☆☆☆

Atmosphäre: ★★☆☆☆

Geschichtsfaktor: ★★★☆☆

Landschaft: ☆☆☆☆☆

Abgeschiedenheit: ☆☆☆☆☆

Abenteuer: ☆☆☆☆☆


Besichtigung

Eine Besichtigung ist nur von außen möglich.

Strecke: –

Dauer: –

Kondition: –

Schwierigkeit: –

Gefahren: –

Beste Jahreszeit: –



Wegbeschreibung

Anreise: Berlin-Schöneberg

Start und Ziel: U-Bahn-Station „Eisenacher Straße“

Weg: Die Eisenacher Straße 500 Meter in südlicher Richtung folgen bis Kreuzung Belziger Straße, dort rechts abbiegend. Die Anlage liegt auf der rechten Seite und ist nicht zu verfehlen.

Hinweise: Das frühere Straßenbahndepot kann nicht betreten werden. Jeglicher Versuch verbietet sich, da dort die Polizei ansässig ist.


Weitere Informationen

Stand: 12.8.2020